Vorlauf
Lutz
Dammbeck
BRUNO & BETTINA
Hamburg, Januar 2018. Ich wollte einfach nochmal nach Japan fahren. Mein letzter Film über die Umerziehung der Westdeutschen nach 1945 hatte mich am Ende zu Heideggers Frage nach dem Wesen der Technik geführt – und um dieser Frage weiter nachgehen zu können, dachte ich, müsste ich nach Japan. Denn Heidegger hatte seine Frage nicht beantworten können, hatte sie ins Unbewußte verschoben, und an die Kunst weitergereicht. Zugleich hatte er seine Hoffnung auf das ostasiatische Denken gesetzt, und von der japanischen Philosophie eine Antwort erwartet.
Erste
Recherchen machte ich 2017 - ein Nebenprodukt einer Veranstaltung mit meinem
Film Overgames und den Japanologen der Universität Nürnberg-Erlangen,
die ein Forschungsprojekt zur "Reeducation in Japan" vorbereiteten.
Das führte zu meiner ersten Reise nach Japan, und zu einem Symposium des Goethe
Instituts in Tokyo. Thema war die Reeducation nach 1945 in Deutschland und
Japan, und als japanischen Vertreter hatten die Organisatoren den Autor und
Filmregisseur Masao Adachi eingeladen.
Ich kannte weder ihn noch seine Filme, aber wir waren uns sympathisch. Und da
ich ein paar Monate später an einer Ausstellung zum Thema "Kunst und
1968" im Ludwig Forum für
Internationale Kunst in Aachen teilnehmen sollte, hatte ich eine Idee. Adachis Leben
und filmisches Werk, das war doch "68" in Reinkultur! Das war doch
wie die Zeitreise
durch ein Japan, das nach 1945 wie Westdeutschland einer "postiven Umerziehung"
unterzogen worden war, und sich heute als vollkommen amerikanisiert zeigte.
Zugleich war es ein Land, in dem der Widerstand gegen diese Umformung sowohl
von links wie rechts enorm stark gewesen war. Und Adachi war eine der Symbolfiguren
dieses Widerstands. Ein Künstler, der zum Soldaten einer „Befreiungsarmee“
wurde, die heute als "terroristische Vereinigung" gilt. Diese Armee hatte
verschiedene Namen: „Arab Sekigun”, oder, wie die Medien sie dann genannt hatten:
„Japanische Rote Armee“, oder auf Japanisch: „Nihon Sekigun“. Adachi hatte eine
bemerkenswerte Metamorphose durchgemacht: Vom Autor für Experimental- und Pink
Eiga-Filme – einer japanischen Variante von Sex- und Pornofilmen - zum späteren
links revolutionären Filmmacher der hofft Wirklichkeit und Publikum durch seine
Kunst zu verändern, zu einem Guerilla der direkt und konkret Wirklichkeit
verändern will und den Umweg über das Kunstwerk weglässt. Ich legte Heidegger
zur Seite und fragte Adachi, ob er mit einem Interview einverstanden sei, das
zunächst für die Ausstellung in Aachen geplant war, und dann zu einem
Kinodokumentarfilm wurde. Ein Film, der die Grenze zwischen bewegtem Bild,
Sprache und Text austestete, und mit einem Minimalbudget realisiert wurde. So
kam ich wieder nach Japan.